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Das Parlament entwirft und beschliesst innert wenigen Tagen ein Energiegesetz, das Mittel für die Stromversorgung über alle anderen Landesinteressen stellt – ohne Verfassungsgrundlage. Eine Abstimmung über die Vorlage ist zwingend, doch stattdessen ignoriert das Parlament die demokratischen Rechte der Bevölkerung und will das Gesetz per sofort in Kraft setzen. Gleichzeitig beschliesst der Bundesrat verdecktes Notrecht in Sachen Stromversorgung. Experten erachten die Beschlüsse als verfassungs- und gesetzeswidrig.
Staatsrechtsprofessor Alain Griffel erachtet das Gesetz als problematisch: Erstens ist es verfassungswidrig, und zweitens müsste zwingend die Bevölkerung darüber abstimmen können, weil die verfassungsrechtliche Grundlage fehlt. Sogar das Bundesamt für Justiz stellte sich dagegen. Noch fehlt die Schluss-Abstimmung und die Abstimmung, ob das Gesetz noch vor Ablauf der Referendumsfrist in Kraft treten solle.
Gleichzeitig führt der Bundesrat verdeckt Notrecht (Strommangellage) ein, obwohl es noch mehr als genug Strom hat. Einziges momentanes Ziel ist, eine Bewilligung für ein Gaskraftwerk in Birr ohne Umweltverträglichkeits-Prüfungen durchzusetzen (Einsprachefrist 5 Tage, Einsprache wohl chancenlos). Der Zürcher Staatsrechtsprofessor Giovanni Biaggini befürchtet, dass damit ein Präzedenzfall geschaffen werde, der zu einem späteren Zeitpunkt als Begründung für die Ausserkraftsetzung von weiteren Gesetzen beigezogen werden könnte. Wenn keine unmittelbare Bedrohungslage vorliege, so sei dieser Entscheid gesetzeswidrig, hält Biaggini fest.
Bundesrat und Parlament verlassen den Weg der Rechtsstaatlichkeit und beschliessen einen unüberlegten Energieausbau nach eigenen Regeln. Grosskraftwerke in unberührter Natur, aber auch die “intelligente” Vernetzung aller Haushalte und Energieversorger. Weitere Ausbauschritte und Beschneidungen der Rechte der Bevölkerung sind vorgesehen. Parlament und Bundesrat sägen an der Gewaltentrennung. Sie entscheiden da, wo sie nichts zu sagen haben und reissen im Eiltempo Macht und Rechte an sich. Sie hoffen wohl, schneller als jeder Widerstand zu sein.
Zwischen Mittwoch und Freitag werden die Würfel endgültig fallen.
Noch können wir Einfluss nehmen! Um die Parlamentarier schnell zu erreichen, schicken Sie am besten ein Mail an die folgende Adresse: vorname.nachname@parl.ch
Fügen Sie den Betreff “21.501 Energiegesetz” ein. So dringt Ihre Mitteilung am besten durch.
Ich teile die Einschätzung, dass das Bundesgesetz über dringliche Massnahmen zur kurzfristigen Bereitstellung einer sicheren Stromversorgung im Winter auch in der gestern vom Nationalrat beschlossenen Fassung unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten in verschiedener Hinsicht problematisch ist und deshalb zwingend einer vertieften verfassungsrechtlichen Beurteilung unterzogen werden müsste. Dies ist umso mehr geboten, als es Sache des Parlaments ist, die Verfassungsmässigkeit eines Gesetzes zu prüfen und einzuhalten.
Verfassungsrechtlich problematisch sind aus meiner Sicht – nach einer ersten, flüchtigen Durchsicht der Vorlage – vor allem folgende Punkte:
a) die Frage, ob überhaupt eine objektive Dringlichkeit im Sinn von Art. 165 BV vorliegt, die den Erlass eines dringlichen Bundesgesetzes rechtfertigt;
b) die Vereinbarkeit des Ausschlusses der Planungspflicht (Art. 71a Abs. 1 lit. c und Art. 71b Abs. 1 lit. b) mit Art. 75 Abs. 1 BV;
c) die Vereinbarkeit einer generell-abstrakt geregelten, grundsätzlichen Vorrangstellung bestimmter Interessen (Art. 71a Abs. 1 lit. d und Art. 71b Abs. 1 lit. c) mit Art. 78 Abs. 2 BV;
d) die Vereinbarkeit einer generell-abstrakten Regelung eines Einzelfalls (Grimselsee) mit dem Verfassungsgrundsatz der Gewaltenteilung.
Sollte Punkt a) zu verneinen sein, wäre ein dringliches Bundesgesetz gänzlich unzulässig. Sollte die objektive Dringlichkeit bejaht werden können, die Verfassungskonformität einzelner weiterer Aspekte aber zu verneinen sein, käme nur ein dringliches Bundesgesetz ohne Verfassungsgrundlage im Sinn von Art. 165 Abs. 3 BV in Frage. Die Verantwortung für die integrale Einhaltung der von Volk und Ständen angenommenen Verfassung liegt wie gesagt beim Parlament.
Mit freundlichen Grüssen
Alain Griffel
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Prof. Dr. Alain Griffel
Universität Zürich
Rechtswissenschaftliches Institut